In Deutschland sehnen sich laut einer aktuellen Studie 71 Prozent der Frauen zwischen 16 und 44 Jahren danach, abzunehmen. Fast die Hälfte hat bereits Diäten ausprobiert – ein klares Zeichen dafür, dass das Thema Ernährung, Gewicht und Essverhalten viele Frauen beschäftigt. Doch obwohl Diäten und Ernährungsregeln verlockende Lösungen zu sein scheinen, bergen sie Gefahren, die wir oft unterschätzen. Psychologin Tina Tanšek zeigt in diesem Beitrag, wie Abnehmen und ein gesünderes Essverhalten mit dem “intuitiven Essen” besser und nachhaltiger gelingen können.
Inhalt
Die Schattenseiten von Diäten und Ernährungsregeln
Diäten folgen oft starren Regeln, die uns ein Schwarz-Weiß-Denken aufzwingen: Lebensmittel werden in „gut“ und „schlecht“ unterteilt, unser Körpergefühl tritt in den Hintergrund. Diese Kontrollillusion – der Versuch, den Körper wie eine Maschine zu „programmieren“ – führt dazu, dass wir die natürlichen Signale von Hunger und Sättigung immer weniger wahrnehmen. Stattdessen vertrauen wir Tabellen, Waagen oder Apps mehr als unserem eigenen Bauchgefühl.
Die Folge: Wir verlieren die Verbindung zu unserem Körper. Und auch unser Selbstwert wird beeinflusst: Wer es nicht schafft, sich an die starren Ernährungsregeln zu halten, fühlt sich schnell schuldig oder als Versager(in). Dabei sind wir Menschen keine Maschinen – unsere Bedürfnisse und Gefühle sind individuell und dynamisch.
Die Gegenbewegung: Intuitives Essen
Intuitives Essen setzt genau hier an. Dieser Ansatz möchte uns helfen, das natürliche Verhältnis zu unserem Körper und zu unserer Nahrung wiederzufinden. Dabei geht es darum, auf die inneren Signale zu hören, statt uns ausschließlich an externe Vorgaben oder Verbote zu klammern. Es ist eine Rückkehr zu dem, was wir eigentlich alle in uns tragen: die Fähigkeit, Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und darauf flexibel und individuell zu reagieren.
Doch intuitives Essen ist kein Freifahrtschein für wahlloses bzw. zügelloses Essverhalten: Wenn das Bauchgefühl uns scheinbar sagt, dass wir jetzt drei Tafeln Schokolade innerhalb von 10 Minuten auf einmal essen sollen, dann ist dies sicherlich kein natürlicher Impuls unseres Körpers. In solchen Momenten ist es wichtig, kurz innezuhalten und genauer hinzusehen: Geht es hier wirklich um drei Tafeln Schokolade – oder vielmehr um ein emotionales Loch in uns, das gefüllt werden möchte?
Unser Körper sehnt sich nach frischen, nährstoffreichen Lebensmitteln. Doch viele Menschen haben den Zugang zu echten Lebensmitteln verlernt, da stark verarbeitete Produkte mit Zucker und Geschmacksverstärkern unsere Wahrnehmung verfälschen und unseren Geschmack umprogrammiert haben.
Wie gelingt der Einstieg ins intuitive Essen?
Intuitives Essen ist ein Prozess, der Zeit und Geduld erfordert. Besonders für Menschen, die lange nach Diätregeln gelebt haben, ist der Einstieg ins intuitive Essen mit einem großen Fragezeichen verbunden: “Wie soll das gehen?” Bisher war man in einem starren Käfig aus Ernährungsregeln gefangen, wie soll man nun mit der neuen Freiheit umgehen? Der Übergang kann dadurch schnell zur Überforderung werden.
Die Lösung liegt darin, sich langsam heranzutasten und dabei bestimmte Grundstrukturen beizubehalten. Wie ein Fluss, der ein Flussbett braucht, um bei Schwankungen der Wasserhöhe nicht über die Ufer zu treten, helfen dir bestimmte Rahmenbedingungen, diesen neuen Ansatz sicher in deinen Alltag zu integrieren.
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Hier sind einige Tipps, wie du starten kannst:
Vier W-Fragen helfen, sich dem intuitiven Essen zu nähern:
- Was esse ich?
Bevorzuge natürliche, unverarbeitete Lebensmittel. Schokolade, Kuchen etc. sind erlaubt – aber in Maßen und mit Genuss. - Wann esse ich?
Höre auf dein Hungergefühl und lerne, zwischen echtem Hunger und emotionalem Essen zu unterscheiden. Plane deine Hauptmahlzeiten in deinem Alltag ein und versuche, zwischendurch nichts zu naschen. So lernst du, echte Hungergefühle von reinem Appetit zu unterscheiden. - Wo esse ich?
Iss bewusst im Sitzen und nimm dir die nötige Zeit für die einzelnen Mahlzeiten, möglichst ohne dich dabei von einer TV-Serie oder dem Handy ablenken zu lassen. - Wie esse ich?
Achte auf den Geschmack und versuche, die Geschmacks- und Sinneserfahrungen beim Essen (wieder) intensiver wahrzunehmen und kaue bewusst. Das bedeutet nicht, dass du jeden Bissen 30 Mal mechanisch kauen musst. Aber jeden Bissen nach nur dreimaligem Kauen hinunterschlingen, ist sicher zu früh, wie Ernährungsexpertin Barbara Plaschka in ihrem Buch “Kau dich schlank” eindrucksvoll zeigt.
Schritt für Schritt statt radikale Maßnahmen
Beginne grundsätzlich mit kleinen Veränderungen, anstatt dein Essverhalten von heute auf morgen komplett umzukrempeln. Die Erfahrung zeigt, dass radikale Veränderungen meistens zum Scheitern verurteilt sind. Unser Essverhalten basiert zutiefst auf Gewohnheiten, die wir uns über Jahre hinweg angeeignet haben. Plötzlich alles zu verändern, kann schnell zu Frustration und Überforderung führen. Unser Gehirn liebt es, wenn die Dinge vertraut und vorhersehbar bleiben. Kleine, schrittweise Anpassungen sind daher der Schlüssel zu dauerhaftem Erfolg.
Vielleicht fängst du damit an, eine Sache bewusst zu verändern. Du könntest dir zum Beispiel vornehmen, wirkliche Esspausen einzulegen und insbesondere am Abend auf das Snacken zwischendurch zu verzichten. Solche scheinbar einfachen Schritte helfen dir, allmählich neue, gesündere Gewohnheiten zu etablieren.
Es sind die kleinen kontinuierlichen Erfolgserlebnisse im Alltag, die dich langfristig motivieren und zum Ziel führen.
Ein wichtiger Punkt dabei ist, Geduld mit dir selbst zu haben. Veränderungen brauchen Zeit. Es geht nicht darum, möglichst schnell alles „richtig“ zu machen, sondern langfristig eine neue, positive Beziehung zum Essen aufzubauen.
Beobachte, wie sich diese kleinen Veränderungen positiv auf dein Essverhalten und dein Wohlbefinden auswirken und baue darauf auf. So schaffst du eine Basis, die dir langfristig dabei hilft, intuitiver zu essen und dich mit deinem Körper wieder wohler zu fühlen – Schritt für Schritt, mit viel Geduld und ohne selbstsabotierenden Veränderungssdruck.
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Endlich wieder in Kontakt mit sich kommen
Je besser du wieder in Kontakt mit dir selbst kommst, desto leichter fällt es dir, deine Ernährung an deine tatsächlichen Bedürfnisse anzupassen. Es geht um einen flexiblen Umgang mit Lebensmitteln: Das kann bedeuten, dass du an einem Tag spürst: Heute möchte ich ein Stück Kuchen essen. Das ist völlig in Ordnung wenn du das bewusst und mit Genuss machst. Bitte genieße dieses Kuchenstück in vollen Zügen und ohne schlechtes Gewissen, sonst schlägt gerne allzu schnell die alte Diät-Falle zu: „Jetzt habe ich eh schon alles falsch gemacht” und in kürzester Zeit essen wir noch drei weitere Kuchenstücke, da wir verlernt haben, bewusst zu genießen. Und zwar alle Lebensmittel.
Fazit: Intuitives Essen – Dein Weg zu einem gesunden Essverhalten
Intuitives Essen ist keine kurzfristige Lösung, sondern ein langfristiger Prozess. Es geht darum, alte Gewohnheiten und Ernährungsregeln loszulassen und wieder mehr Vertrauen in den eigenen Körper zu entwickeln.
Denn das Ziel ist nicht nur ein Wohlfühlgewicht, sondern ein Leben ohne Schuldgefühle, Verzicht und ständige Gedanken an die nächste Mahlzeit. Intuitives Essen zeigt dir einen Weg, wie du wieder in Kontakt mit dir selbst treten kannst – und das ist der Schlüssel zu einem nachhaltig gesunden und zufriedenen Leben.
Über die Autorin
Tina Tanšek ist Diplom-Psychologin, Journalistin und Moderatorin. Im Rahmen des ganzheitlichen Gesundheitscoachings von »MyBodyMind« begleitet sie Menschen bei der Entwicklung eines gesunden Mindsets. Mit ihrer einfühlsamen und praxisnahen Herangehensweise gibt sie ihren Coachees praktische Tipps und Tricks an die Hand und vermittelt psychologische Werkzeuge, die helfen, den Alltag auch in herausfordernden Zeiten zu meistern.
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